Fachtagung „Beteiligung4 – Vier Perspektiven auf den KI-Einsatz in der Öffentlichkeitsbeteiligung“
Vier Perspektiven, rund 50 Teilnehmende vor Ort und online sowie zahlreiche Ansätze für Kriterien, an denen sich der erfolgreiche Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Öffentlichkeitsbeteiligung messen lassen könnte: Die Fachtagung von DialogGesellschaft und Deutschem Städtetag am 23.09.2025 brachte Impulse und Diskussionen zusammen und legte Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Sichtweisen auf KI offen.
Fachtagung „Beteiligung4 – Vier Perspektiven auf den KI-Einsatz in der Öffentlichkeitsbeteiligung“
Michael Baufeld, Vorstandsvorsitzender der DialogGesellschaft, stellte in seiner Begrüßung fest, dass das Thema Künstliche Intelligenz sehr viel und sehr vielseitig diskutiert wird. Dabei kommen jedoch häufig nur einzelne Sichtweisen zu Tragen. Hier setzt die DialogGesellschaft an und legt die
Perspektiven von Vorhabenträgern, Kommunen, Gesellschaft und Forschung nebeneinander. Das Ziel der heutigen Veranstaltung sei es, einen ersten Ansatz für Kriterien für den erfolgreichen Einsatz von KI in der Öffentlichkeitsbeteiligung entwickeln.
Hilmar von Lojewski, Beigeordneter des Deutschen Städtetags und Mitveranstalter der Fachtagung, betonte in seinem Grußwort die Relevanz des Themas für die Kommunen: „Wir brauchen KI in Deutschland mehr denn je – nicht als Ersatz für Face-to-Face-Beteiligung, sondern als Werkzeug, um Verfahren angesichts knapper Ressourcen und hoher Geschwindigkeit zu unterstützen.“ Dabei sei es wichtig, onmivalente Anwendungen zu finden, die universell einsetzbar sind und eine einheitliche Einführung in Kommunen unterstützen.
In der folgenden Impulsrunde gaben vier Expert:innen Einblicke in ihre Arbeitsfelder – und in ihre Perspektive auf den Beitrag der KI sowie auf mögliche Erfolgskriterien der Anwendung.
Perspektive Vorhabenträger: Transparenz, Auffindbarkeit, Vertrauen, Hoheit
Julian Koepff, verantwortlich für die Digitalisierung im Stakeholdermanagement bei der DB InfraGO, bestätigte, dass aus der Sicht des Vorhabenträgers KI dabei helfen könne, Informationen besser aufzubereiten, Fachsprache zu übersetzen und so die Beteiligung zu erleichtern. Die Nutzung von KI sei für viele Menschen bereits Alltag. KI-Chatbots lieferten in Sekundenschnelle spezifische Antworten, die von den meisten Nutzer:innen als wahr akzeptiert werden. „Menschen erwarten heute spezifische Antworten auf spezifische Fragen. Diese Erwartung müssen Vorhabenträger erfüllen,“ so Koepff. Er bescheinigte KI zudem das Potenzial, für Beteiligte relevante Informationen in umfangreichen Verfahren schnell und zielsicher auffindbar zu machen. Allerdings besteht für Vorhabenträger eine große Herausforderung darin, die Informationen so aufzubereiten, dass die KI sie auch findet – und nutzt. Gleichzeitig machte er deutlich, dass der Einsatz von KI transparent und begleitet bleiben muss, „denn Vertrauen entsteht nur, wenn Menschen auch weiterhin sichtbar und ansprechbar bleiben.“
Perspektive Kommune: Nachvollziehbarkeit, Effizienz, Datenschutz, Barrierefreiheit
Die Perspektive der Kommunen wurde von Dr. Christoph Schubert, Projektmanager im Referat Digital Stadt in Leipzig, vertreten. Dr. Schubert schilderte Praxisbeispiele, vom digitalen Beteiligungstool dipas bis zum Chatbot ALRIS-GPT, der Ratsinformationen besser auffindbar macht. Die Lehre: KI könne Prozesse effizienter machen, beispielsweise bei der Auswertung von Hinweisen aus der Beteiligung. Durch KI können zudem mehr barrierefreie Nutzungsmöglichkeit geschaffen werden, beispielsweise beim Abruf von Informationen aus Karten. Dabei muss stets sichergestellt werden, dass die Ergebnisse überprüfbar sind. „Wir können nur dann Vertrauen schaffen, wenn Nachvollziehbarkeit und Datenhoheit gewährleistet sind.“ Abschließend wies Dr. Schubert darauf hin, bei den Grundlagen und Vorgaben für den KI-Einsatz eine gewissen Einheitlichkeit gewährleistet werden sollte. Er verweis an die Cities Coalition for Digital Rights, einem Verbund von 60 Städten auf der Welt, die sich Prinzipien zu digitalen Rechten gegeben haben.
Perspektive Gesellschaft: Skalierbarkeit, Inklusivität, Datensicherheit, Menschliche Steuerung
Dr. Angela Jain von der Bertelsmann Stiftung lenkte den Blick auf Chancen wie Skalierbarkeit und Inklusivität: Mit Hilfe der KI können mehr Menschen erreicht, Informationen in Echtzeit und auf verschiedenen Ebenen aggregiert aufbereitet und Debatten permanent geführt werden. Sie warnte aber zugleich vor Risiken: „Beteiligung wird nicht automatisch vielfältiger, nur weil KI eingesetzt wird. Im Gegenteil – wir sehen nach wie vor, dass sich vor allem bestimmte Gruppen stark einbringen. KI kann helfen, Barrieren abzubauen, aber sie darf Diskurse nicht dominieren.“ Zudem wies sie auf eine Reihe von Herausforderungen hin, wie Intransparenz, Ressourcenverbrauch und mögliche Verzerrungen in den Modellen selbst sowie Datenschutz und Privacy. Dr. Jain betonte jedoch, dass die Herausforderungen nicht dazu führen dürften, KI nicht in der Beteiligung einzusetzen. „Experimente sind notwendig, um Erfahrungen zu sammeln – auch wenn es nicht immer nur gute Erfahrungen sein können.“
Perspektive Forschung: Öffentliche Förderung, sinnvolle Integration, menschliche Autonomie
Dr. Jens Libbe, Deutsches Institut für Urbanistik, stellte fest, dass es zum KI-Einsatz in der Stadtentwicklung zwar derzeit eine Vielzahl von Projekten gebe, aber nach wie vor wenig Empirie, denn „ohne öffentliche Förderung läuft da nichts“. Aus wissenschaftlicher Sicht brauche es klare Rahmenbedingungen und genügend Ressourcen. Dr. Libbe betonte: „KI kann unterstützen, aber sie ersetzt nicht das menschliche Engagement. Entscheidend sind Datenverfügbarkeit, Infrastruktur, Finanzierung – und eine Haltung, die KI sinnvoll in Arbeitsabläufe integriert.“ Auch ethische Prinzipien gelte es zu beachten. Orientierung hierzu geben europäische und internationale Leitlinien zu vertrauenswürdiger KI. Aus rechtlicher Sicht sei insbesondere darauf zu achten, dass die KI-Systeme nicht unterschwellige Techniken einsetzten, die Täuschung und Manipulation bewirken könnten oder die freie Entscheidung beeinträchtigen: “Ermessensspielräume, Bewertungen und Entscheidungen müssen stets bei Verwaltung, Planung und Politik verbleiben.“
Diskussion zu Grundsätzen und Details
An die Impulsrunde anschließend diskutierten die Teilnehmenden im digitalen World Café in Breakout-Sessions die vier Perspektiven. Die Fragen reichten von den Qualitätsanforderungen an KI-generierte Inhalte, Transparenz und Nachvollziehbarkeit über die Integration von KI und anderen Plattformen bis zu der grundsätzlichen Überlegung, ob generative KI in der Beteiligung überhaupt eingesetzt werden sollte.
Viele Teilnehmende plädierten dafür, den Rahmen klar zu ziehen: KI dürfe Werkzeuge bereitstellen, aber nicht die Verantwortung für Beteiligungsprozesse übernehmen.
Ergebnisse und Ausblick
In der Abschlussdiskussion wurde deutlich:
• Vertrauen bleibt der Schlüssel – Beteiligung lebt von der Beziehung zwischen Menschen.
• KI kann Transparenz und Effizienz fördern, darf aber die persönliche Kommunikation nicht ersetzen.
• Kommunen brauchen Unterstützung durch öffentliche Infrastrukturen, damit auch kleinere Städte die Chancen nutzen können.
• Kriterien für verantwortungsvollen KI-Einsatz sind notwendig, um Transparenz, Datensicherheit und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten
Michael Baufeld brachte es im Schlusswort auf den Punkt: „Wir stehen jetzt am Ende der Veranstaltung, aber erst am Anfang der Diskussion. Mensch zu Mensch wird KI nicht ersetzen. Die Frage ist: Was kann sie – und was wollen wir von ihr?“