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DialogGesellschaft
Webinar vom 27.05.2025 – Dokumentation

Neue VDI-MT 7000: Aktuelle Inhalte und Hinweise für den Konsultationsprozess

Die Überarbeitung der Richtlinie VDI-MT 7000 „Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei Industrie- und Infrastrukturprojekten“ ist weit fortgeschritten. Auf dem Webinar der DialogGesellschaft am 27. Mai 2025 gaben Vertreter des VDI und des Richtlinienausschusses Einblick in die wesentlichen Neuerungen und nahmen die Hinweise der 37 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für den weiteren Konsultationsprozess entgegen.

Webinar Neue VDI-MT 7000: Aktuelle Inhalte und Hinweise für den Konsultationsprozess

Webinar Neue VDI-MT 7000: Aktuelle Inhalte und Hinweise für den Konsultationsprozess

Michael Baufeld und Tobias Wächter, Vorstandsmitglieder der DialogGesellschaft, begrüßten die Teilnehmenden. Sie erläuterten, dass der Konsultationsprozess zur Erneuerung der VDI-Richtlinie noch bis Ende des Monats laufe. Die DialogGesellschaft möchte ihren Mitgliedern und weiteren Interessierten die Gelegenheit geben, sich vor Ablauf des Konsultationsprozesses über die wesentlichen Neuerungen der VDI-Richtlinie zu informieren, ihre Fragen zu stellen und Hinweise zu geben.

Im Anschluss gaben Maximilian Stindt, VDI, und Dr. Mathis Danelzik, KNE, einen Überblick über den aktuellen Stand des Entwurfs für die neue Richtlinie. Die erste Änderung findet sich bereits im Titel. Das Ergänzung „MT“ steht für „Mensch und Technik“ – und macht deutlich, dass ein Fokus der neuen Richtlinie auf der stärkeren Integration technisch-planerischer Prozesse auf der einen und dem Dialog mit der Öffentlichkeit auf der anderen Seite liegt.

Die neue Richtlinie greift die Komplexität laufender Transformationsprozesse auf und entwickelt ein einheitliches Verständnis von Planung im Dialog

Ein wesentlicher Grund für die Erneuerung der 2015 erstmals erschienenen Richtlinie VDI 7000 liegt in den zahlreichen Transformationsprozessen, die Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland derzeit zeitgleich durchlaufen. Energiewende, Wasserstoffwende, Mobilitätswende etc. ziehen konkrete Industrie- und Infrastrukturvorhaben nach sich. Beim Ausbau der Energienetze, bei der Erneuerung und Erweiterung von Verkehrswegen oder beim Umbau beziehungsweise bei der Errichtung neuer Industrie- und Produktionsstandorte nehmen die Anzahl und der Grad der Einbeziehung von Betroffenen und Stakeholdern kontinuierlich zu. Die Erwartungen an Beteiligung sind hoch – und teilweise sehr unterschiedlich. Die neue VDI-MT 7000 nimmt auf diese Entwicklungen konkreten Bezug und trägt gleichzeitig der Tatsache Rechnung, dass gegenüber 2015 mittlerweile deutlich mehr Wissen und Erfahrung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung vorliegt. Allerdings sind die gesellschaftlichen Entwicklungen komplexer geworden. Daher soll die neue VDI-MT 7000 auch einen Beitrag zu einem einheitlichen Verständnis von Planung im Dialog leisten.

Die VDI-MT 7000 soll dazu beitragen, Risiken zu minimieren und die Planung zu beschleunigen

Die wesentliche Ziele der VDI-MT 7000 lauten: Planung beschleunigen und verbessern. Indem der Dialog auch als Frühwarnsystem für Themen genutzt wird, die das Potenzial für Konflikte haben, können Risiken minimiert und frühzeitig rechtssichere Varianten für die Planung entwickelt werden. Vergleichbar einer „Baugrunderkennung im gesellschaftlichen Umfeld“ kann frühe Öffentlichkeitsbeteiligung somit als ein Instrument der Risikoanalyse und des Risikomanagements eingesetzt werden. Die Richtlinie geht dabei auch auf Unterschiede beispielsweise zwischen Sektoren, öffentlichen und Industrieprojekten, verschiedenen Komplexitätsgraden und Genehmigungsregimen explizit ein.

Ein wichtiger Ansatzpunkt der neuen VDI-Richtlinie ist die Verzahnung der informellen frühen Öffentlichkeitsbeteiligung und der förmlichen Beteiligungsverfahren. Darüber hinaus schlägt die Richtlinie vor, den Dialog auch nach Abschluss der Genehmigungsverfahren aufrecht zu erhalten, um beispielsweise Handlungsräume während der Bauphase auszuloten und zu nutzen.

Vier Beteiligungsphasen mit sieben Prüfsteinen verzahnen konsequent Planung und Dialog

Planung muss agil und iterativ sein. Das gleiche gilt auch für frühe Öffentlichkeitsbeteiligung. Die VDI-MT 7000 unterscheidet vier Phasen des Dialogs, die sich an den wesentlichen Phasen des Planens, Genehmigens und Bauens orientieren. Die Phasen können stringent und/oder mit Rückkopplungsschleifen durchlaufen werden. Ob die Ziele der jeweiligen Phase erreicht wurden, kann anhand von sieben definierten Prüfsteinen nachvollzogen werden.

Phase 1, die Interne Vorbereitung, dient vor allem der Analyse von Akteuren, Themen und Formaten und damit der zielorientierten Vorbereitung des Dialogs. Phase 2 umfasst die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung vom Beteiligungsscoping über die Faktenklärung und Variantenvergleiche bis hin zur Kommunikation von Ergebnissen. Phase 3 berücksichtigt den Rollenwechsel, der sich mit dem Übergang von der Planungs- in die Genehmigungsphase und damit von der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in das förmliche Beteiligungsverfahren vollzieht. Phase 4 befasst sich mit der Verstetigung des Dialogs auch während der Bauphase.

Für alle Phasen beschreibt die Richtlinie mögliche Vorgehensweisen und Ansätze, die Vorhabenträgern und Zulassungsbehörden praxisorientierte Hilfestellung beim planungsbegleitenden Dialog bieten sollen. Als „Goldstandard mit Flexibilität“ stellt die VDI-MT 7000 somit ein praxisorientiertes Tool für eine effiziente und beschleunigte frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei Industrie- und Infrastrukturprojekten dar, das Möglichkeiten des Dialogs aufzeigt und abwägt, jedoch kein starres Korsett an Vorschriften beinhaltet.

Die Überarbeitung der Richtlinie ist ein Gemeinschaftsprojekt, das voraussichtlich in der 2. Jahreshälfte abgeschlossen werden soll

Die Überarbeitung der Richtlinie erfolgt durch einen ehrenamtlichen Richtlinienausschuss, in dem Vorhabenträger, Behörden, Wissenschaft und Forschung sowie Akteure der Zivilgesellschaft vertreten sind. Die Zusammenführung verschiedener Beteiligungsexpertisen und -perspektiven führte zu einer ausgewogenen und in Teilen recht grundlegenden Überarbeitung der bisherigen Richtlinie.

Die Veröffentlichung erfolgte zunächst als „Gründruck“ als Grundlage für das offizielle Einspruchsverfahren. Die eingehenden Einsprüche werden sondiert und die Inhalte und Texte der Richtlinie gegebenenfalls angepasst. Die Veröffentlichung als „Weißdruck“ soll voraussichtlich in der 2. Jahreshälfte 2025 erfolgen.

Lebhafte Diskussion und einige wenige Hinweise für den Konsultationsprozess

Im Anschluss an die Vorstellung der neuen Richtlinie hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, Fragen zu stellen und Hinweise für den weiteren Konsultationsprozess zu geben.

Folgende Themen wurden im Rahmen der Diskussion angesprochen:

  • Bürgerräte und zufällig ausgewählte Gremien: Die Richtlinie enthält keine dezidierten Empfehlungen dazu, ob und wie Bürgerräte oder Zufallsbürger in der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung zu mehr Akzeptanz beitragen können. Mit Bürgerräten konnten in der jüngsten Vergangenheit zahlreiche gute Erfahrungen gesammelt werden. Sie können aber ebenso wenig, wie andere Methoden Grundsatzkritik an Vorhaben verhindern. Die Richtlinie empfiehlt, in Phase 1 ein Beteiligungsscoping durchzuführen, um ein geeignetes Beteiligungskonzept für ein Projekt oder Vorhaben zu entwickeln und umzusetzen. Erfahrungen zu Bürgerräten in der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung diskutierte die Dialoggesellschaft vor einiger Zeit in einer diesem Thema gewidmeten Webkonferenz.
  • Anwendbarkeit der VDI-MT 7000 in langlaufenden Projekten: Grundsätzlich ist der in der VDI-MT 7000 vorgeschlagenen Prozess in vier Phasen eher auf neue Projekte ausgerichtet. Dennoch kann die Richtlinie auch bei Langläuferprojekten wertvolle Unterstützung bieten. Beispielsweise bieten die Prüfsteine in den Phasen die Möglichkeit, auch bei länger laufenden Vorhaben die Ergebnisse der bisherigen Öffentlichkeitsbeteiligung zu evaluieren und einzuordnen und das Vorgehen gegebenenfalls zu adjustieren.
  • Sicherung von Wissen und Ergebnissen in Beteiligungsprozessen: Die Richtlinie enthält Vorschläge für die Sicherung und Kommunikation von Wissen und Ergebnissen insbesondere in Phase 2 und Phase 3. Grundsätzlich wird in der überarbeiteten Fassung großer Wert auf die Kontinuität des Dialogs gelegt und es werden entsprechende Vorschläge unterbreitet.

 

Die Teilnehmenden der Diskussion brachten darüber hinaus zwei konkrete Vorschläge ein, die inzwischen von der DialogGesellschaft in das Konsultationsverfahren des VDI zur Richtlinie eingebracht wurden:

  1. Redaktionelle Vereinheitlichung und sprachliche Vereinfachung bestimmter, schwer verständlicher Kapitel
  2. Überprüfung des bisherigen Lizenzmodells für die Verbreitung und Nutzung der Richtlinie mit dem Ziel, den Zugang zu und die Nutzbarkeit der Richtlinie zu verbessern.

 

Das grundsätzliche Feedback der Teilnehmenden zur neuen Richtlinie lautete: Das Engagement und die Expertise des Richtlinienausschusses bei der Überarbeitung der VDI-MT 7000 sind deutlich erkennbar. Die Überarbeitung wird die Einsatzmöglichkeiten der Richtlinien noch einmal verbessern und leistet somit einen wichtigen Beitrag dazu, die Erwartungen an die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei Infrastruktur- und Industrieprojekten zukünftig noch besser zu erfüllen.

Wir danken den Impulsgebern Maximilian Stindt und Dr. Mathis Danelzik für die die tiefgehenden Einblicke – und allen Teilnehmenden des Webinars für ihr Interesse und die spannende Diskussion.